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«Mehr als die Hälfte der nichtübertragbaren Erkrankungen könnten mit einem gesunden Lebensstil vermieden werden.»

Ausgabe Nr. 103
Mär. 2014
Genuss und Risiko

Fünf Fragen an Eva Bruhin. Nichtübertragbare Krankheiten sind heute weltweit die Todesursache Nummer eins. Ihre Zunahme ist hauptsächlich auf Veränderungen im Lebensstil zurückzuführen. Eva Bruhin, die Leiterin der Geschäftsstelle «Nationale Strategie nichtübertragbare Erkrankungen» beim Bundesamt für Gesundheit, über die Ziele dieser Strategie.

Die nichtübertragbaren Krankheiten, kurz: NCDs, sind in jüngster Zeit stark in den Fokus der Gesundheits- und Präventionswelt gekommen. Sind NCDs bedeutender geworden?

Verbesserte Lebensbedingungen und medizinischer Fortschritt haben zu einer eindrücklichen Zunahme der Lebenserwartung geführt. Allerdings oft um den Preis einer längeren Lebenszeit mit chronischen Gesundheitsproblemen, insbesondere bei älteren Menschen. Nichtübertragbare, chronische Krankheiten sind lang andauernde Erkrankungen, die sich in der Regel langsam entwickeln und eine Betreuung von mehreren Monaten bis Jahrzehnten erfordern. Dazu gehören zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Krankheiten der Atmungsorgane, Diabetes und muskuloskeletale Krankheiten, also Erkrankungen des Bewegungssystems wie zum Beispiel chronische Rückenschmerzen.
In der Schweiz sind 74,6% der Todesfälle bei den Männern und 75,9% der Todesfälle bei den Frauen auf vier nichtübertragbare Krankheiten zurückzuführen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Krankheiten der Atmungsorgane und Demenz (Bundesamt für Statistik 2013).

Warum braucht es überhaupt eine nationale Strategie zu den NCDs?

Weil wir der Zunahme nichtübertragbarer Krankheiten nicht machtlos gegenüberstehen. Mehr als die Hälfte dieser Erkrankungen könnten mit einem gesunden Lebensstil vermieden werden. Sie werden durch folgende Risikofaktoren begünstigt: eine unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch und Rauchen. Wir können also etwas tun. Die Gesundheitspolitik muss in die Prävention nichtübertragbarer Krankheiten und in die Gesundheitsförderung investieren.
In der Schweiz gibt es seit 2008 drei nationale Präventionsprogramme, die auf die Bekämpfung der Hauptrisikofaktoren von nichtübertragbaren Krankheiten zielen: die Programme Tabak, Alkohol sowie Ernährung und Bewegung. Sie bilden das Dach über die verschiedenen nationalen, kantonalen und kommunalen Präventionsaktivitäten in diesen Bereichen und werden zusammen mit den Kantonen, NGOs und – gemäss dem multisektoralen Ansatz – mit weiteren Akteuren – etwa der Raumplanung, der Wirtschaft oder der Bildung – umgesetzt. Diese Programme laufen allerdings 2016 aus. Daher müssen wir uns heute überlegen, wie es weitergehen soll. Deshalb hat der Nationale Dialog Gesundheitspolitik – die ständige Plattform von Bund und Kantonen – Ende November den Start für die Erarbeitung einer Nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten bis 2016 beschlossen. Die Strategie soll die Kompetenzen der Bevölkerung im Gesundheitsbereich verbessern sowie Rahmenbedingungen schaffen, die ein gesünderes Verhalten vereinfachen.

In welchen Bereichen will die neue Strategie Wirkung entfalten?

Die NCD-Strategie ist als Transversalstrategie zur Optimierung der Prävention der wichtigsten nichtübertragbaren Erkrankungen konzipiert. Die WHO definiert Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen als die vier wichtigsten NCDs. Für die nationale Strategie sollen aufgrund der spezifischen Problemlasten in der Schweiz zusätzlich die muskuloskeletalen Krankheiten mit einbezogen werden (siehe Abbildung). Die NCD-Strategie umfasst Gesundheitsförderung und Primärprävention und hat eine Schnittstelle zur medizinischen Versorgung. Sie stellt damit den Bezug her zu Früherkennung und -intervention bei Personen mit erhöhten Gesundheitsrisiken und zu präventiven Leistungen in der integrierten Gesundheitsversorgung zur Verbesserung der Lebensqualität bereits erkrankter Personen.
Die Strategie ist aber kein Ersatz für krankheitsspezifische Strategien und Programme, zum Beispiel im Bereich Krebs, sondern sie ergänzt diese und stärkt ihre Präventionswirkung. Die Bereiche Sucht und psychische Gesundheit werden unter Koordination der Schnittstellen gesondert weiterentwickelt.

Der Bund lanciert die Strategie zusammen mit den Kantonen. Welche weiteren Partner werden zum Mitmachen eingeladen? Wie wird Gesundheitsförderung Schweiz eingebunden?

Der Erarbeitungsprozess soll sowohl top-down wie auch bottom-up funktionieren. Im Leitungsgremium sind der Bund, die Kantone und Gesundheitsförderung Schweiz vertreten. Im erweiterten Leitungsgremium wirken auch die NGOs, Forschungsexperten sowie weitere Akteure mit. Die einzelnen Teilprojekte werden zudem in Arbeitsgruppen erarbeitet, in denen die Akteure mitarbeiten können.

Wie werden die bisherigen Präventionsprogramme in die Strategie integriert: Ist sie ein Dach über alles Bestehende? Werden manche Programme ersetzt?

Die bestehenden Programme wurden vom Bundesrat bis Ende 2016 verlängert. Damit haben wir die Kontinuität und Nachhaltigkeit der Präventionsarbeit sichergestellt, und die Zusammenarbeit zwischen allen Präventionsakteuren kann weiter gestärkt werden.
Die Zunahme der nichtübertragbaren Erkrankungen erfordert aber umfassende Ansätze, die über eine risikofaktoren­orientierte Prävention hinausgehen. Internationale Entwicklungen, beispielsweise die Anstrengungen der WHO in diesem Bereich, zeigen diesen Weg vor. Im Vordergrund steht die Verbesserung der Prävention und Früherkennung nichtübertragbarer Krankheiten. Dazu ist eine noch viel stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und NGOs gefordert. Selbstverständlich werden die Erfahrungen und das Wissen aus den bestehenden Programmen in die Entwicklung der neuen Strategie einfliessen. Ob und wie die Programme ab 2017 weitergeführt werden, kann ich heute allerdings noch nicht beantworten.

NCD-Strategie: Das Wichtigste in Kürze

– Bund und Kantone erarbeiten gemeinsam eine neue Strategie zur Prävention nicht­übertragbarer Erkrankungen (kurz: NCD-Strategie: non communicable diseases).
– Die NCD-Strategie umfasst die Prävention von Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-
Erkrankungen, Atemwegserkrankungen sowie muskuloskeletalen Erkrankungen.
– Die NCD-Strategie ist eine Querschnittstrategie, welche die bestehenden krankheitsspezifischen Teilstrategien nicht konkurrenziert, sondern in den präventionsrelevanten Aspekten optimiert, Perspektiven für die Weiterentwicklung der nationalen und kantonalen Präventionsprogramme (Alkohol, Tabak, Bewegung und Ernährung) und der Gesundheitsförderung aufzeigt sowie die Prävention in der Gesundheitsversorgung stärkt.
– Die NCD-Strategie legt grossen Wert auf den Einbezug und die Beteiligung der Fach- und Betroffenenorganisationen.
– Die Bereiche Sucht und psychische Gesundheit werden unter Koordination der Schnittstellen gesondert weiterentwickelt.

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